Auszug Begleitheft zur Entschleunigungstour

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Nun haben wir schon oft Unterschiedlichkeiten der Bevölkerung auf dieser Welt angesprochen und werden dies auch weiterhin tun, weil dies einfach auch zu Blickwinkelerweiterungen führt. Es gibt aber nicht nur Unterschiede es gibt auch etwas was uns Menschen alle eint. Die Tatsache, dass wir alle Kinder sind und dass wir alle zunächst „fremd programmiert“ werden, nämlich genau in dem Moment, in dem wir noch alle im Kindesalter sind. Auch das ist ein Naturgesetz, sobald wir da sind, läuft dieser Mechanismus, wir werden fremd programmiert ob wir wollen oder nicht. Es geht gar nicht anders, weil das, was uns umgibt, uns Orientierung bietet. Aber irgendwann kommt dieser Punkt, an dem wir anfangen zu hinterfragen, ob das, was uns Orientierung geboten hat, auch das ist, was wir selber wollen. Bei einigen beginnt es schon in der Jugend, bei sehr vielen in der Mitte des Lebens und bei einigen auch noch im hohen Alter.

 

Slow Turtle, der mittlerweile verstorbene höchste Medizinmann der Wampanoag Indianer hat einmal folgendes gesagt (Zitat aus Stimmen der Weisheit von Steven McFadden, S. 232 ff.): „Die meisten Menschen haben nie wirklich versucht, sie selbst zu sein. Es war ihnen nicht erlaubt, sie selbst zu sein. Es gibt immer irgendjemanden, der versucht, Dich zu überwachen. Deine Eltern schicken Dich in die Schule und in die Kirche und all dieses Zeug. Alle stellen eine Reihe von Richtlinien und Regeln auf, nach denen Du leben sollst. Dir wird nie erlaubt, Du selbst zu sein. Du machst nie, was sich gut für Dich anfühlt. Manchmal sagst Du, dass die Gesellschaft Dich verletzt hat oder Dich unter Kontrolle gezwungen hat. Diesen Vorgaben folgst Du und bleibst im Rahmen. Aber es braucht eine ganze Menge, um sich selbst kennenzulernen und wirklich sagen zu können, was gut für einen ist. Stehe ich gerne frühmorgens auf oder eher nicht? Nimm Dir die Zeit herauszufinden, ob Du früh aufstehen oder lieber im Bett liegen möchtest. Schon das ist eine Herausforderung für sich, wenn Du die Möglichkeit hast, Dir darüber klar zu werden. Denn dieses kleine Ding hier, diese Uhr, läuft die ganze Nacht hindurch, und Du beobachtest sie den ganzen Tag. Du hampelst und springst und Du tust, was dieses Ding Dir sagt, was zu tun ist. Du isst, wenn dieses Ding sagt, dass es zwölf Uhr ist. Verstehst Du, was ich sagen will?

 

Die Leute gehen zur Schule und lernen, wie man für den Rest des Lebens nichts mehr tut und damit auch noch glücklich ist. Sie sagen: ‚Schau doch. Ich verdiene Geld und muss nichts dafür tun.‘ Und sie glauben, dass sie glücklich sind? Ich habe da meine Zweifel. Ein solches Leben kann tödlich sein, weil es ohne Inhalt ist. Wenn Du ihm das Geld wegnimmst, was hat er dann noch? Nichts. Deshalb ist es wirklich von so grundsätzlicher Bedeutung anzufangen, sich und seinen eigenen Weg zu erkennen. Das ist in keiner Weise egoistisch. Es gibt Dir ein wirklich gutes Gefühl. Du musst das verinnerlichen und Dich selbst auf den Weg bringen. Du musst ein Menschwesen sein, jemand, dessen Wort hier danach eingeschätzt wird, ob er andere Leben auf gute Weise beeinflusst und ob er seine Sachen so erledigt, dass sie auf gute Art und Weise geschehen. Es reicht nicht aus, hier zu sein und zu existieren, herumzusitzen und in Papieren zu wühlen und sie irgendwo in den Mülleimer zu werfen. Das ergibt keinen Sinn. Wie kannst Du mit Deinem Leben zufrieden sein, wenn Du nichts tust für nichts? Verstehst Du das? Das führt zu nichts. Wenn Du nicht versuchst, Unglück abzuwenden oder anderen Menschen zu helfen, dann – finde ich – kannst Du nicht dieses Gefühl haben wie wenn Du hilfst und Teil eines wertvollen Ganzen bist. Sicher kannst Du Dich nach so vielen Jahren zur Ruhe setzen. Du bekommst ja eine Rente. Aber hast Du auch gelebt?“

 

Passend zu dieser Frage von Slow Turtle ist das Buch von der Australierin Bronnie Ware „The Top Five Regrets of the Dying“ sehr interessant. Sie hat Sterbende begleitet. Es gab darunter viele, die den Tod gut annehmen konnten, aber es gab mindestens genauso viele, die es nicht konnten. Die Aussagen gleichen sich bei diesen Menschen so sehr, dass sie 5 Dinge feststellen konnte, die diese Menschen am meisten bedauerten. Hier die Top Five:

 

  1.  Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben.
  2.  Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.
  3. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken.
  4. Ich wünschte mir, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden aufrechterhalten.
  5. Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt glücklicher zu sein.

 

Der Mut, der fehlt so vielen. Denkt nochmal daran, was wir auch schon beim Verliebt sein gesagt haben. Wenn Ihr eine Ablehnung erfahrt, ändert das nichts an Eurer Ausgangsituation. Eine Zustimmung hingegen kann Euch die gewünschte Wende bringen. Ein Quäntchen Mut kann somit viel bewirken. In jedem Fall lässt sich sagen, das Leben aufzuschieben macht keinen Sinn. Nach hinten hin wird es kürzer und mit zunehmendem Alter auch beschwerlicher. Eine durchaus noch agile 83jährige alte Sardin hat uns einmal gesagt: „Das Leben ist schön, aber das Alter ist eine Bestie!“ Ein Grieche würde einem dazu wahrscheinlich folgendes antworten: „Vergangenem nachtrauern heißt Gegenwärtiges versäumen.“ Die Sardin hat recht und der Grieche auch, mit zunehmendem Alter wird alles beschwerlicher doch wer jammernd zurückblickt, versäumt das Glück des gegenwärtigen Moments und wenn es „nur“ die Sonne auf der Nase ist.

 

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